Das Zahnmobil in Hannover unterwegs


In der Stadt und Region Hannover werden Menschen, die in Armutssituationen leben, gar nicht oder nur sehr schwer vom Gesundheitssystem erreicht: Dies trifft auch auf die zahnmedizinische Versorgung zu – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Gesundheit, das Selbstwertgefühl der Betroffenen sowie die gesellschaftlichen Folgekosten. Um diese Auswirkungen und deren Folgen zu mindern, gibt es das Zahnmobil: Ehrenamtlich tätige Zahnärzte, Helfer und Fahrer sowie finanzielle Hilfen engagierter Menschen realisieren eine zahnärztliche Behandlung der Betroffenen. Im Interview erzählt Carsten Krüger vom Förderverein Zahnmobil Hannover e.V. über die Entstehung und Angebote der mobilen Zahnarztpraxis.

Herr Krüger, das Zahnmobil Hannover feiert dieses Jahr 10-jähriges Jubiläum. Bitte erzählen Sie uns etwas über das Projekt und die Entstehung.

Die Idee geht ursprünglich auf den Diakoniepastor Walter Lampe zurück. Dieser hatte mitbekommen, dass es gerade in der obdachlosen Szene schlecht um die zahnmedizinische Betreuung aussieht und man dringend die Wertigkeit und das Selbstwertgefühl der Patient:innen über die zahnmedizinische Behandlung stärken muss. Er erzählte Werner Mannherz und seiner Frau Dr. Ingeburg Mannherz von seiner Idee und so wurde die mobile Zahnarztpraxis geboren.

Ein gebrauchter Rettungswagen war schnell gefunden, doch fehlten zunächst die finanziellen Mittel, um das Fahrzeug zu kaufen und entsprechend einzurichten. Erst mit Hilfe unseres Hauptsponsors, der Stiftung „Hilfswerk Deutscher Zahnärzte“, konnten wir im Januar 2012 den Kauf des Rettungswagens und seinen anschließenden Umbau realisieren – vier Monate nahmen die Umbaumaßnahmen in Anspruch. Nach der Abnahme durch den TÜV wurde das Zahnmobil am 13.04.2012 offiziell aktiviert.

Letztendlich ist es ein Projekt, bei dem wir auf Spenden angewiesen sind. Das Zahnmobil lebt von der ehrenamtlichen Mitarbeit und der finanziellen Hilfe engagierter Menschen, Institutionen und Industrie-Partnern, wie beispielweise Henry Schein.

Wie sieht Ihre Unterstützung vor Ort konkret aus? Welche Dienstleistung bieten Sie den Betroffenen?

Das Zahnmobil Hannover behandelt bedürftige und obdachlose Menschen, die sich als Teil der Armutsbevölkerung auf Hannovers Straßen aufhalten. Häufig sind sie von der Regelversorgung des zahnärztlichen Gesundheitssystems ausgeschlossen. Approbierte Zahnärzte behandeln die Bedürftigen ehrenamtlich, wann immer es ihnen möglich ist.

Insgesamt sind wir an drei Tagen in der Woche im Einsatz: Mittwoch, Freitag und Samstag. Ein Einsatz dauert in der Regel zwei Stunden, entweder von 9 – 11 Uhr oder von 15 – 17 Uhr. Im Schnitt behandeln wir, je nach Einsatzort, zwischen zwei und sechs Patienten am Tag, das sind aufs Jahr gerechnet rund 380 Patient:innen. Der Behandlungsumfang im Zahnmobil umfasst alles von akuter Schmerzbehandlung bis hin zum Legen von Füllungen, Extraktionen und einfachen prothetischen Versorgungen. Abgesehen davon, leisten wir auch immer mal wieder Erste Hilfe bei Platzwunden oder kleineren Verletzungen.

Wie wird das Angebot angenommen?

Frau Mcleod ist die zahnmedizinische Assistenz und das Herzstück des Zahnmobils. Sie ist mit allen Patient:innen per Du und ein wesentlicher Faktor, weshalb diese immer wieder kommen. Sie hat ein offenes Ohr für die Probleme der bedürftigen Menschen und trotz der Pandemie gibt es, zusätzlich zur Behandlung, auch mal eine Umarmung für den Behandelnden. Es ist großartig zu sehen, dass sie so viel Akzeptanz bei den Patient:innen erfährt. Aber das Wichtigste: Wir schaffen Vertrauen, sind offen und zeigen Respekt. So nehmen wir den Patienten die Angst vor der Behandlung. Entscheidend ist, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.

Mit welchen Herausforderungen hatten Sie während der Pandemie zu kämpfen?

Corona hat uns anfangs in eine Art Schockstarre versetzt, die sich aber schnell wieder legte. In den ersten Wochen war vor allem die Schutzkleidung ein großes Thema. Unsere Berufskleidung bestand in den ersten Wochen aus Praxiskleidung, Einmalkittel, doppelten Handschuhen, doppeltem Mundschutz, Brille und Visier. Die Brille, FFP2 Maske sowie der Einmalkittel sind bis heute geblieben. Mit viel Unterstützung von außen und zahlreichen Spenden von FFP2 Masken und Einmalkitteln haben wir die Pandemie bis jetzt gut überstanden.

Aber auch organisatorisch gab es Herausforderungen: Für unsere Fahrer mussten wir spezielle Hygieneanweisungen schreiben und vor jedem Einsatz müssen alle Beteiligten getestet sein/werden. Mittlerweile ist der „körperliche Kontakt“ wieder mehr geworden, weil gerade die bedürftigen Menschen die Nähe benötigen. Allerdings haben wir einige ehrenamtliche Fahrer und Zahnärzte verloren, die sich alters- oder risikobedingt zurückziehen mussten.

Für was können Sie die Spende von knapp 6.200 Euro einsetzen?

Das oberste Ziel ist immer den „laufenden Betrieb“ aufrecht zu erhalten und die anfallenden Kosten für Behandlungsmaterialien, Treibstoff und Wartungsarbeiten zu decken. Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich durch Geld- und Sachspenden, die permanent neu eingeworben werden müssen. Deshalb sind wir auch dankbar, dass wir tatkräftig unterstützt werden und das Geld eben genau für diese Dinge nutzen können.

Welche persönlichen Ziele haben Sie für das Jahr 2022?

Aufgrund der Pandemie sind uns viele Spenden weggefallen. Unser oberstes Ziel ist deshalb, die Finanzierung zu sichern, so dass das Zahnmobil auch zukünftig für die bedürftigen Menschen in Hannover und der Region da sein kann.

Vielen Dank für das Interview!

Wenn Sie das Zahnmobil unterstützen möchten, dann können Sie unter https://www.zahnmobil-hannover.de/spenden/ spenden.