Mobile Zahnarztpraxis auf dem Weg nach Syrien


Noch immer tobt der Bürgerkrieg in Syrien. Das öffentliche Leben und die medizinische Versorgung sind längst zusammengebrochen. Während viele Menschen das Land bereits verlassen haben, fehlen vielen anderen Syrern sowohl die finanziellen Mittel als auch die Kraft für eine Flucht nach Europa. Daher haben die Grünhelme e.V. im Herbst 2015 damit begonnen, ein gespendetes Wohnmobil zu einer mobilen Zahnarztpraxis auszubauen, um für eine bessere medizinische Versorgung in den umkämpften Gebieten zu sorgen. Ausgerüstet mit einem neuen Zahnarztstuhl und einer Photovoltaikanlage, wird das Zahnarztmobil seit Herbst 2016 im Großraum Aleppo und in verschiedenen Flüchtlingscamps entlang der syrisch-türkischen Grenze eingesetzt. Henry Schein unterstützte das Projekt im Rahmen seiner „Gesund beginnt im Mund“ Kampagne mit Prophylaxe-Materialien.

Im Interview erzählt David Leitz, Projektleiter bei Grünhelme e.V., über die Entstehung des Dentalmobils und der Situation vor Ort.
Herr Leitz, welches Ziel verfolgt der Verein Grünhelme e.V.?

Die Grünhelme sind international in Krisen- und Katastrophengebieten unterwegs, überwiegend mit dem Ziel etwas aufzubauen. Häufig sind dies Schulen, Krankenhäuser oder ganze Dörfer. Gemeinsam mit den Menschen vor Ort wollen wir Hand in Hand arbeiten und zusammen ein Projekt realisieren. Unsere besonderen Kenntnisse liegen sicherlich im handwerklichen und technischen Bereich.

Durch das gemeinsame Anpacken auf der Baustelle arbeiten und kommunizieren wir auf Augenhöhe. Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe und überlassen ihnen die Verantwortung. Durch das Fachpersonal aus Deutschland, welches durch Freiwillige für mindestens 3 Monate besetzt ist, bilden wir die Helfer zusätzlich im Baubereich aus. Dabei ist uns der Ausbildungscharakter ein sehr wichtiges Anliegen.

Zusätzlich sind wir auch in Nothilfebereichen, wie der Lebensmittellieferung oder dem Zahnarztmobil tätig. Letzteres haben wir in Deutschland mit Handwerkern umgebaut und betreiben es in Syrien mit der Organisation IDA - Independent Doctors Association. Die IDA wurde von syrischen Ärzten ins Leben gerufen, die humanitäre Hilfe in Aleppo leisten.

Wie kamen Sie auf die Idee ein Wohnmobil zu einer mobilen Zahnarztpraxis umzubauen? Was der ausschlaggebende Faktor?

Zu Beginn stand die Spende eines Wohnmobils im Raum. Dieses sollte in Krisengebieten für beispielweise Krankentransporte verwendet werden. Unsere Partei-Organisation Barada Syrienhilfe e.V. hatte parallel einen Zahnarztstuhl gespendet bekommen. Über Barada ist dann der Kontakt zu IDA entstanden. Sie haben Erfahrung im syrischen Gebiet in und um Aleppo bis hin zur türkischen Grenze. Es herrscht ein akuter Bedarf an dentaler Versorgung: Besonders in den abgelegenen Dörfern und den Camps an der türkischen Grenze ist bislang gar keine Versorgung vorhanden. So kamen wir auf die Idee, eine mobile Dentaleinheit zu bauen. Wichtig war noch die Möglichkeit die Einheit autark vom Stromnetz nutzen zu können, um immer und überall eine Behandlung zu ermöglichen. Aus diesem Grund sind auf dem Dach sechs Photovoltaik Module installiert. Diese und sieben weitere Batterien ermöglichen eine Versorgung für einen Tag. Zur Not kann ein Notstromgenerator Strom für das Mobil liefern. Aber Benzin ist wie alles rar und teuer.

Erzählen Sie uns etwas über die Situation in Syrien. Wie steht es um die (Mund)Gesundheit der Menschen dort?

Die Versorgung ist sehr schlecht, besonders in den abgelegen Regionen und in den Kamps an der türkischen Grenze kommt wenig Hilfe an. Die dentale Versorgung steht meist hinten an.

Die Situation ist verheerend, viele Menschen harren in den Städten aus. Teilweise sind sie über Wochen und Monate von jeglicher Versorgung abgeschnitten, da die Städte belagert sind. Zusätzlich bombardiert das Regime mit Unterstützung aus Russland die Städte teilweise massiv. Es gibt keinen Strom oder fließend Wasser, auch Essen gibt es leider nicht genug. Wie so häufig leidet die Zivilbevölkerung am stärksten unter dem Konflikt. Aktuell ist dies in Aleppo sehr tragisch zu beobachten.

Wie sieht Ihre Unterstützung vor Ort konkret aus?

Wir unterstützen mit Barada einerseits durch Hilfslieferungen, wie z.B. dringend benötigte Babymilch. An der Grenze haben wir auf türkischer Seite und auf syrischer Seite finanziell Schulen aufgebaut und gefördert. Wir werden vor Ort von Einheimischen unterstützt, die die Hilfsgüter verteilen oder den Transport organisieren. Als Europäer ist es momentan zu gefährlich ins Land zu reisen. Daher wird die IDA das Dentalmobil betreiben und Ärzte etc. für die Behandlung zur Verfügung stellen. Die Lehrer in den Schulen erhalten einen kleinen Lohn. Die Konfliktparteien unterstützen uns nur teilweise. Wir sind schon froh, wenn wir ohne größere Probleme passieren dürfen.

Wie finanziert Ihr Verein die Projekte und Hilfseinsätze?

Nahezu 100% unserer Einsätze sind durch private Spenden unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen finanziert. Dadurch erhalten wir uns unsere Unabhängigkeit und vor allem können wir sehr schnell auf Veränderungen reagieren. Gleichzeitig werden wir durch Sachspenden von Firmen wie ihnen z.B. unterstützt. Die Zahnpasta und die Zahnbürsten gehen zusammen mit der mobilen Dentaleinheit in den Einsatz. Vor Ort werden sie dann an die Patienten verteilt.

Unsere Spender sind bunt gemischt: Sogar Schüler sammeln auf Basaren oder Konzerten Geld und finanzieren so ein ganzes Schulgebäude. Aber jede noch so kleine Spende, auch wenn es 5 Euro sind, helfen uns unsere Projekte zu verwirklichen. Durch flache Hierarchien und einen kleinen bürokratischen Aufwand, sowie großen ehrenamtlichen Einsatz, fließen 97% der Gelder direkt in unsere Projekte.